Isolation – und die ganze Welt macht mit.. Ein + 1 Jahr Rundumschlag.

Lange haben wir nichts von uns hören lassen. Kurz und knackig: Es geht uns gut.

Kaum kehrte für uns alles langsam zur Normalität zurück, kam Corona. Immerhin – wir waren uns das zu Hause bleiben bereits gewohnt und wussten, was zu tun ist. 🙂

Zu Rolfs gesundheitlichem Zustand: Es gibt Dinge, die verbessert geblieben sind und andere, die sich verschlechtert haben. Derzeit können wir auf jeden Fall schon einmal sagen, dass keine neuen Symptome dazu gekommen sind, was durchaus als Erfolg zu werten ist. Nun ist es aber so, dass sich trotz Stammzellentherapie wie wir vorab wussten, bestehende Schädigungen nicht reparieren lassen. Alles, was schon da war, kann sich prinzipiell leider auch weiter verschlechtern – dies ist mitunter ein Grund, weshalb es so wichtig ist, für diese Therapieart einen guten Zeitpunkt zu erwischen, in dem einerseits die Krankheit schnell genug fortschreitet, dass sie eine solch inasive Therapie rechtfertigt und andererseits die Behinderungen nicht bereits allzu schwer sind. Verbessert geblieben sind die Spastik und der imperative Harndrang, verschlechtert haben sich leider die Fatigue und Kognition. Corona hat zudem einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, dass die guten Gehfähigkeits-Verbesserungen nach der Reha mehrheitlich wieder auf dem alten Stand sind. Deshalb wird aktuell eine erneute Reha diskutiert, um ihn wieder etwas aufzubauen. Die Verbesserungen der Gefähigkeit scheinen als retrospektiv eher einem Trainingseffekt, als einer Verbesserung durch die Therapie selbst zuzuschreiben zu sein – Vieles lässt sich erst mit der Zeit beurteilen.

Nach wie vor sind wir froh, die Chance für diese Therapie erhalten zu haben! Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass entzündliche Prozesse nachhaltig gestoppt werden konnten. Leider kann es jedoch wie erwähnt zu degenerativen Veränderungen der bestehenden Schäden kommen. Komplett neue Symptome sind in diesem Jahr keine aufgetreten.

Zwischenzeitlich konnte Rolf praktisch alle Medikamente, die noch mit der Therapie in Zusammenhang standen, absetzen. Das Arbeitspensum ist nach wie vor bei 30%.

Wieso wir euch ein Bild im Rollstuhl präsentieren? Selbstverständlich nicht, weil wir uns der Krankheit ergeben hätten. Der Rollstuhl ist ein Schreckensgespenst. Fast jeder, der die Diagnose MS erhält, fürchtet ihn in gewisser Weise. Auch Rolf wehrte sich lange dagegen. Ich ging deshalb oft alleine spazieren. Diesen Sommer haben wir uns überwunden und einen Rollstuhl mit Elektroantrieb (e-fix) gemietet. Wir sind begeistert und täglich oft eine Stunde in der Natur zusammen unterwegs. Dieses Hilfsmittel gibt uns die Freiheit zurück, Dinge gemeinsam unternehmen zu können, bei denen längere Strecken zu Fuss für Rolf nicht überwindbar wären. Zwischenzeitlich hat die IV uns auch einen Rollstuhl mit so einem Antrieb genehmigt – er sollte in Kürze einziehen, sodass wir das Mietmodell wieder zurückgeben können. Ein Jahr nach der Therapie geht es für uns nun mehr denn je darum, das Beste aus der Situation zu machen und das zu geniessen, was geht. Im normalen Alltag ist Rolf nach wie vor zu Fuss / mit Stock, ohne Rollstuhl unterwegs.

Der Blick in die Zukunft

Wir gehören nicht zu der Sorte Menschen, die sich grossartige Vorsätze fürs 2020 vorgenommen haben. Traditionell haben wir auch dieses Jahr den Jahresübertritt verschlafen und am 1. Januar angestossen.

Definitiv starten wir aber mit Wünschen und Vorstellungen ins 2020. Ich möchte mein Studium fortsetzen und Rolf weiter in den Arbeitsalltag zurückfinden. Unsere grösste Hoffnung gilt selbstverständlich der Tatsache, dass die MS in unserem Leben eine grosse Lücke hinterlässt, die wir mit viel Freudigem füllen dürfen.

Wie in der Reha vorgeschlagen halten wir uns strikt daran, dass Rolf sein Arbeitspensum alle zwei Wochen um 10% steigert. Zwischenzeitlich ist er bei 40% angekommen und ist nun zum ersten Mal an Grenzen gestossen. Vor Behandlungsbeginn hat Rolf noch 100% gearbeitet; allerdings ist dieses hohe Pensum insofern zu differenzieren, als dass wir einen Arztbericht aus dem Jahr 2017 haben, der konstatiert, dass er medizinisch-theoretisch 50% krank wäre. Trotzdem hat er bis zum Therapiebeginn 100% gearbeitet, wobei die Arbeitstätigkeit infolge der Einschränkungen der Gehfähigkeit angepasst werden musste. Die Stammzellentherapie hat uns nicht nur im Hinblick auf die Zukunftsaussichten eine wichtige Perspektive gegeben; sie hat Rolf auch die Möglichkeit gegeben, sich in einem Alltag zu bewegen, in dem er seine Grenzen besser spürt. Er gehört zu jenem Typ Mensch, die so lange durchhalten, bis sie zusammenbrechen. Die meisten Menschen möchten keine IV-Fälle werden; mit so etwas sind grosse Existenzängste verbunden. Was, wenn es wirklich nicht mehr 100% geht, was wenn die IV keine Rente spricht, was passiert bei Jobverlust usw. Bereits kurz nach der Diagnose hatten wir uns eingehend mit diesen Themen auseinandergesetzt – es ist eigentlich unvorstellbar, was es da alles zu wissen gibt. Ich denke es lohnt sich, gewisses Wissen im Umgang mit Behörden und deren Regulatorien aufzubauen. Die Sozialberatung hatte uns im Spital nahegelegt, einen IV-Antrag zu machen – dies deshalb, weil man 1. einen Antrag immer zurückziehen kann und man 2. immer ein Wartejahr hat, in dem die IV zuwartet, wie sich der Gesundheitszustand einpendelt- somit verstreicht für den Fall der Fälle nicht unnötig Zeit. Dieses Jahr wird wegweisend dafür sein, was für Rolf bewältigbar ist. In der Reha wurden wir regelmässig darauf hingewiesen, dass zu einem ausgeglichenen Alltag auch gehört, dass man nicht auf den Knien nach Hause rutscht, sondern auch noch etwas Energie übrig ist.

Doch genug der betrüblichen Versicherungsthemen – insgesamt kann ich sagen: Wir fühlen uns in unserem Alltag um einige Zeit zurückversetzt. Ich höre Rolf wieder in einer Art lachen, die längst vergangen war, als passionierter Hobby-Koch ist sein Experimentiergeist in der Küche wieder ausgeprägter und er hat durch den Mix aus Perspektive und weniger Arbeiten ein gutes Stück Freiheit zurückerhalten. Oft kam er früher abends nach Hause und konnte sich gerade noch knapp bis zum Sofa auf den Beinen halten – alles Weitere war mit grössten Anstrengungen und Schmerzen verbunden. Vergangene Woche gab es einen Tag, an dem er über den ganzen Tag verteilt 7500 Schritte schaffte – abends schwankte er nach Hause – da fiel es mir ein wenig wie Schuppen von den Augen, dass das früher jeden Tag so war, aber mit viel weniger Schritten. 7500 Schritte hören sich nach sehr viel an – er könnte diese nach wie vor nie am Stück bewältigen und erst recht nicht jeden Tag. So etwas geht nur, wenn er das über den ganzen Tag verteilen kann. An einem Stück sind vielleicht 200-400m möglich, bevor er kurz anhalten und eine Pause machen muss. Tage mit so vielen Schritten sind eher selten – meist braucht er am Folgetag dann mehr Ruhe. Dennoch wäre so etwas zuvor undenkbar gewesen – ich schätze, das ist einem Mix aus Therapie, Reha, Perspektive und weniger Arbeit geschuldet.

Wir sind bislang nach wie vor zufrieden mit dem aktuellen Stand: Rolf geht es gut. Diese Woche steht noch ein Termin im USZ in einer Spezialsprechstunde der Dermatologie für immunsupprimierte Patienten an. Seine Haut ist im Gesicht nach wie vor sehr trocken. Zusätzlich kam es erneut zu einem Arzneimittelausschlag, der allerdings mit Cortison innert weniger Tage im Griff war. Dieses Mal steht das Medikament «Fampyra» in Verdacht, das er neu verschrieben bekommen hat – ein Arzneimittel, das die Gehfähigkeit verbessern kann. Vielleicht findet man in der Dermatologie mehr heraus, auf was er allergisch reagiert? Wir werden es euch berichten. 🙂

Besonders gute Gedanken möchten wir an dieser Stelle an unsere beiden lieb gewonnen Freunde Dani & Vivi schicken. Dani ist derzeit im USZ und hat gerade die Stammzellentherapie hinter sich; in wenigen Tagen dürfte es nach Hause gehen. 🙂 Natürlich stehen wir wie Groupies in der vordersten Fan-Reihe und hoffen, dass es ruckzuck bergauf geht. Wir erinnern uns nur allzugut daran, wie holprig der Start zu Hause war. Ihr schafft das und seid nicht alleine.

+ 100 Tage – zurück ins Leben, doch die Fassade bröckelt weiter

Weihnachtsstimmung im Spital, Sonnenaufgang, hungrige Stubentiger – der tägliche Wahnsinn 🙂

Wie im letzten Beitrag angetönt sind wir wieder im normalen Leben angekommen. Rolf kehrt ab Montag für 2h pro Tag an seine Arbeitsstelle zurück und mir fällt die Konzentration deutlich leichter als auch schon, das ist toll. Es kehrt Normalität ein.

Ein Freund von Rolf, den er durch die Krankheit kennen gelernt hat, ist am vergangenen Freitag in die Mobilisationschemo gestartet. Ich habe viel Kontakt mit seiner Freundin. Wir sind so froh, dass die Beiden die gleiche Chance erhalten haben, für die wir so dankbar sind. Es tut gut, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen – manchmal wird mir erst durch diesen Austausch bewusst, was in den letzten Monaten eigentlich alles passiert ist. All die Gedanken, Gefühle, Unsicherheiten, das Leben, das an einem vorbei zu ziehen scheint, während die eigene Zeit gefühlt still steht und doch rast. Diese Therapie ist schon ein Einschnitt auf vielen Ebenen, das darf nicht unterschätzt werden – es war ein Ausnahmezustand für beide von uns. Nichtsdestotrotz ist es auch immer das, was man daraus macht und ich habe für meine Zukunft auch viele Erkenntnisse mitnehmen können; so auch Rolf.

Gestern waren wir wie angekündigt zum +100 Tage Check in der Neurologie und Hämatologie. Zusätzlich stand die nächste Pentamidin-Inhalation an, welche Rolf im ersten Jahr nach der Transplantation ein Mal monatlich noch machen muss, weil er das sonst eingesetzte Antibiotikum (Bactrim) nicht verträgt. Die Ärzte sind soweit sehr zufrieden. Nachdem Rolfs EDSS in der Reha mit 4.5 eingeschätzt wurde, haben die Neurologen vom USZ erneut alle Einschränkungen, die Rolf so mitbringt, in die magische EDSS-Tombola-Box geworfen, die einen EDSS von 5 konstatiert. Diese Zahl ist für uns nicht mehr so wichtig wie auch schon – es gibt eine Verbesserung; das ist es, was für uns zählt – Rolf ging ursprünglich mit einem EDSS von 6 ins Rennen. 🙂 In der Neurologie hat man sich für uns sehr viel Zeit genommen – der nächste Termin findet nun erst in drei Monaten statt, wo es auch ein Kontroll-MRI geben wird. Erst die Zeit wird zeigen, ob die Krankheit stabilisiert ist. In der Hämatologie hatten wir mehr oder minder ein «Abschlussgespräch» – die Hämatologen sind mit dem Verlauf zufrieden und übergeben uns nun wieder vertrauensvoll in die Neurologie zurück. Nun wird auch das Thema der Impfungen aktuell – gestern gab es zwei erste Impfungen – Pneumokokken und Grippe. Wir haben ein klares Impfschema erhalten, das Rolf nun mit der Hausärztin weiter besprechen kann. Bei einer Stammzellentransplantation nach dem BEAM Protokoll geht sämtlicher Impfschutz verloren – es müssen deshalb alle Impfungen nachgeholt werden. Lebendimpfstoffe dürfen jedoch erst zwei Jahre nach Transplantation eingesetzt werden.

Was Rolf besonders freut: Es wurde gestern verkündet, dass er ab sofort bezüglich Nahrungsaufnahme auf nichts Spezifisches mehr achten muss – ich stelle mir vor, was er in seinem Kopf bereits alles gekocht hat. Die Tatsache, dass er gerade einkaufen ist, während ich hier tippe, sagt wohl genug.

Ein Thema, das noch offen ist: Diese Trockenheit, die Rolf im Gesicht und den Augen hat. Wir haben uns die Sache mit dem Winter Wonderland ein wenig anders vorgestellt, als dass seine bröckelnde Fassade eine weisse Pracht von sich gibt. In Absprache mit den Hämatologen warten wir ca. einen Monat und entscheiden dann über das weitere Vorgehen – evtl. erledigt es sich von alleine. Falls nicht, gibt es im USZ eine spezielle Sprechstunde der Dermatologie für immunsupprimierte Patienten.

Etwas muss ich jetzt noch los werden. Seit Rolfs Chemo denke ich oft «in Viren und Bakterien» – wenn man einmal darauf achtet, was potentiell gefährlich sein könnte, bekommt man das Gefühl, die Leute seien ÜBERALL krank. Gerade jetzt in der Grippesaison fällt mir auf, wie viele Leute schon einfachste Grundlagen nicht kennen: Bitte bitte – wenn ihr krank seid und niesen / husten müsst, so tut dies nicht in die Hände, mit denen ihr anschliessend ALLES anfasst, sondern in ein Papiertaschentuch (danach sofort wegwerfen) oder die Armbeuge (diese bitte nicht wegwerfen). Wenn möglich wäre auch eine regelmässige Handdesinfektion toll. Wenn ihr ins Spital müsst, so schützt andere Personen durch einen Mundschutz vor eurem biologischen Anschlag – so, wie ich das oben auf dem Foto bereits bei den ersten milden Krankheitssymptomen getan habe. Vielleicht verhelft ihr damit irgendjemandem, die / der ein immunsupprimiertes Familienmitglied zu Hause hat, für ebenjenes so eine Erkältung eine richtig üble Sache werden kann, zu einem kleinen Stück Seelenfrieden – und ihr dürft als Helden nach Hause gehen. Doch auch für ältere Leute sind solche Dinge nicht harmlos – wir jüngeren, die gesund sind, machen uns darüber oft keine Gedanken, weshalb das hier erwähnt sein soll. Ende der Moralpredigt. 🙂

Wir wünschen euch allen wunderbare Festtage! Wir werden bestimmt regelmässig von uns hören lassen, doch ihr merkt selbst – je mehr Normalität einkehrt, desto weniger werden die Beiträge; das ist ein gutes Zeichen. Nichtsdestotrotz – wir werden euch auf dem Laufenden halten.

Fazit der Reha

Lange haben wir nichts von uns hören lassen. Zu Hause ist es eben doch am schönsten und wir geniessen es unglaublich, dass endlich etwas Ruhe in unserem Leben eingekehrt ist.

Die fünfwöchige Reha war für Rolf eine strenge, aber erfolgreiche Zeit. Sein EDSS wurde in der Reha mit 4.5 beurteilt – ihr erinnert euch; bei Behandlungsbeginn war er bei 6! Selbstverständlich hat das körperlich intensive Training viel ausgemacht – man muss dranbleiben, vor allem jetzt im Alltag. In der Reha konnte Rolf die Kraft in der linken Hand merklich steigern – seit der Chemo hat er in dieser Hand wieder etwas mehr Gefühl. Zusammen mit dem Training, sowie einigen Tricks und Kniffs der Ergotherapeuten, konnte da einiges erreicht werden. Die Fahreignungsabklärung und ausführliche Untersuchung beim Neuropsychologen war für ihn sehr wichtig – er kurvt bereits wieder selbständig zum einkaufen. 😉 Mit dem «EVAL» wurde Rolf mit 2-3h täglich wieder langsam an die Arbeitstätigkeit herangeführt.

Längere Strecken am Stück machen ihm nach wie vor Probleme – den Rollstuhl werden wir wohl deshalb behalten, doch das ist ok. Aktuell kann er wie vor der Therapie seinen Alltag gut drinnen ohne Stock und draussen zur Sicherheit mit Stock bewältigen. Man merkt, dass die Ausdauer besser ist und er ist insgesamt besser beisammen als vor der Therapie. Eine wichtige Erkenntnis aus der Reha ist auch, dass er durchaus über den ganzen Tag verteilt erstaunlich weit gehen kann, jedoch nicht wirklich viel weiter als 1500 Schritte am Stück, ohne dann Pause machen zu müssen. Die Haare wuchern wieder wie eh und je – die Beschaffenheit der Haare selbst hat sich nicht verändert; ich kann es trotzdem nicht lassen, manchmal seinen Kopf schockiert zu begutachten und zu behaupten, dass da irgendwo eine rote Locke wächst.

Verbesserungen sind nach wie vor wie bereits geschildert: Die Problematik mit der Blase ist ein wenig besser als vor der Behandlung, die Spastik ist weniger, das Gefühl in der linken Hand besser, die Gehstrecke und Geschwindigkeit ebenfalls. Subjektiv haben mehrere Personen erwähnt, dass seine Sprache deutlicher ist als zuvor – es kam ab und zu vor, dass diese ein wenig verwaschen war und man ihn deshalb etwas erschwert verstanden hat. Leicht verschlechtert hat sich die Spontanproduktion von Wörtern in der Neuropsychologie.

Wir sind mit der Situation derzeit sehr zufrieden.

Next steps: Am Donnerstag haben wir den +100 Tage Check in der Neurologie und Hämatologie im Unispital Zürich. Ihr wisst ja – wir werden berichten. 🙂 Ab dem 16. Dezember beginnt Rolf dann wieder an seiner bisherigen Arbeitsstelle – vorerst für zwei Wochen mit 2h pro Tag. Zusätzlich gehen wir wie von den Ärzten angewiesen 2-3x wöchentlich in die Physio / ins Training.

Ein persönliches Ziel für den letzten Therapie-Tag

Letztes Wochenende kam Rolf zum ersten Mal für eine Nacht nach Hause – die Katzen und ich haben uns natürlich sehr gefreut. Wir haben gut gegessen, das Sofa geteilt, Netflix eingeschaltet und konnten einfach ein wenig geniessen. Am Sonntag musste Rolf für die letzte Reha-Woche nicht alleine nach Valens reisen – ich konnte eine kleine Wohnung mieten, so in seiner Nähe sein und den Reha-Alltag etwas näher miterleben. Während er in den Therapien war, habe ich meine Bücher hervorgekramt und für mein Studium gelernt.

Seit Rolf in der Reha ist, hat er regelmässig seine Schrittanzahl im Auge behalten. Mit der Zeit entwickelte sich sein persönliches Ziel, an einem Tag 10’000 Schritte zu erreichen. Der Reha-Alltag beinhaltet viele recht länge Gänge – über den Tag hinweg kommt da doch einiges an Schritten zusammen. Es waren heute jedoch gemeinsame Extrarunden in der Klinikumgebung nötig, um diese magische 10’000 Schritte Grenze zu erreichen. Selbstverständlich gingen mit dieser langen Strecke viele Pausen einher – die Schritte sind über den ganzen Tag verteilt. Dennoch ist das eine unglaubliche Leistung! Wir machen uns aber auch nichts vor – es gibt bestehende Schäden im zentralen Nervensystem, die nicht wegdiskutiert werden können. Je länger Rolf am Stück läuft, desto mehr werden diese Einschränkungen auch sichtbar. Nichtsdestotrotz konnte mit Training viel aufgebaut werden – diesen Zustand gilt es nun zu halten. Körperlich konnte in diesen fünf Wochen viel erreicht werden.

In einer Reha dieser Art wird aber nicht nur das Körperliche betrachtet – es gab auch regelmässig Hirnleistungstraining, neuropsychologische Untersuchungen und ein Arbeitsintegrationsprogramm, bei dem Büroaufgaben bewältigt werden mussten und die Fehlerrate der Aufgabenbewältigung über längere Zeit beobachtet wurde.

Rolf hat nach wie vor sehr trockene Haut und auch ab und zu brennende Augen – ansonsten gibt es derzeit nichts Negatives zu berichten.

Bis zum +100 Tage Check ist Rolf nun noch krank geschrieben. Anschliessend soll er langsam Schritt für Schritt wieder in die Berufstätigkeit zurückkehren.

Nun bricht die letzte Nacht hier in Valens an – morgen früh dann noch alle Austrittsformalitäten erledigen (Bestätigung Fahreignung, Austrittsbericht etc.) und so hoffen wir, dass wir noch am Vormittag den Weg nach Hause antreten können. Unglaublich, dass diese Phase nun auch abgeschlossen ist.

Ein Schritt zurück, zwei Schritte vorwärts

Bei meinem Besuch dieses Wochenende habe ich meine grosse Kamera eingepackt und von Rolf und Rico einige Bilder gemacht. Ihr erinnert euch an Rico mit den Marienkäfern, der die gleiche Behandlung wie Rolf hinter sich hat; die Beiden haben sich in der Reha kennen gelernt. 🙂

Vergangene Woche hatte ich berichtet, dass es Rolf nicht so gut geht; er wurde ausgiebig untersucht. Unter anderem wurde eine Lungenembolie ausgeschlossen, was uns sehr beruhigte. Eine Schwindelexpertin konnte ihm mit wenigen Tipps und Tricks enorm helfen; er konnte somit wieder am normalen Geschehen in der Reha teilnehmen. Ich hatte einst gedacht, dass Rolfs Reha-Zeit für mich entspannend werden würde; keine Ahnung, welche Naivität mich da geritten hat. 😀 Zwar ist das Ganze weit nicht mehr so aufreibend wie die Spitalzeit, aber so ganz zurück im Alltag sind wir irgendwie beide noch immer nicht angekommen. Wir haben diese Woche darüber gesprochen, wie Valens für Rolf ähnlich wie eine grosse Blase ist, fernab von der Realität. Auch ich fühlte mich in den letzten Monaten oft ein wenig, als würde das Leben an uns vorbeiziehen, während wir auf irgend einer Wolke durch ein Paralleluniversum sausen. Ein seltsames Empfinden – doch immerhin gehen wir diesen Weg zusammen.

Rolf macht grossartige Fortschritte. Gestern hat er einen Rekord gebrochen – er hat über den Tag verteilt 7000 (!!!) Schritte geschafft. Ich nutzte die Gelegenheit für ein Vergleichsvideo mit dem Tag vor Chemo-Beginn. Heute hatte er dann aber Muskelkater und kaum genug Kraft, noch grossartig mehr zu tun als sich für das Nötigste fortzubewegen (essen!) ;-). Wir finden das Video sehr eindrücklich. Es ist uns aber auch wichtig darauf aufmerksam zu machen, dass wir nicht wissen, was Rolf mit einem so intensiven Aufbautraining bereits vor der Stammzellentherapie hätte erreichen können. Der Punkt ist einfach, dass die Stammzellentherapie die Krankheit hoffentlich hat aufhalten können und der Aufbau damit auch verspricht, dauerhaft zu sein. Zuvor war der körperliche Aufbau eher ein Kampf gegen Windmühlen – während er um den Erhalt verschiedener Fähigkeiten kämpfte, schritt die Krankheit bereis weiter voran und machte wieder einiges zunichte. Es gibt jetzt eine Perspektive – und das ist ein riesiger Unterschied. Die Stammzellentherapie mag in gewissen Fällen Verbesserungen mit sich bringen, doch die Verbesserungen muss man sich in erster Linie hart erarbeiten, indem man trainiert, was sich bei den individuell bestehenden Schäden trainieren lässt und auch nach der Reha dran bleibt.

Auf Umwegen..

Nachdem Rolf die Reha vor rund 2.5 Wochen motiviert startete und schnell erste Erfolge verspürte, geht es ihm seit vergangenem Donnerstag nicht so gut. Er hatte Therapie im warmen Thermalwasser und erlebte danach eine körperliche Erschöpfung, die seither anhält. Was und wieviel dies mit dem Wasser ansich zu tun hatte, ist unklar, doch wir verschoben unseren geplanten Ausflug ins Thermalbad Bad Ragaz am Wochenende sicherheitshalber. Neben der Schlappheit ist ihm auch oft schwindlig. Seit Sonntag hat er ab und zu das Gefühl, er bekäme nicht normal Luft. Gestern wurden nun nachmittags alle Therapien abgesagt und der Arzt wurde vorstellig. Blutwerte, Blutdruck, Sättigung – soweit eigentlich offenbar alles im Grünen. Der Arzt machte dann noch ein sogenanntes «Lagerungsmanöver» – dieses wird bei einer der häufigsten Schwindelarten oft angewandt; Rolf war es danach während Stunden noch viel wackliger zu Mute als zuvor. Heute folgen nun noch weitere Abklärungen.

Rolfs Moral war gestern sehr angekratzt – er hat einen Durchhänger. Gestern hätte auch ein Arbeitsintegrationsprogramm gestartet, das ihn Schritt für Schritt wieder an mehrstündige Computerarbeit heranführen sollte – leider musste dieses nun verschoben werden. Wenn ich auf die ganze Behandlung zurückblicke, hat er sich bisher so gut geschlagen – es knickt doch jeder einmal ein, ist ungeduldig und wäre gerne bereits zur gleichen Zeit einige Monate später. Man möchte stark sein und Erfolge präsentieren, empfindet Rückschläge als Misserfolg; doch das sind sie oft nicht – sind sie nicht nur allzu häufig Pausen der Reorganisation und Regeneration, als die wir sie mitten im Geschehen nicht wahrnehmen und anerkennen können? Man darf nicht vergessen, dass wir immer noch sehr früh nach der Behandlung sind – das alles fühlt sich weit weg an, aber es ist noch gar nicht lange her, als Rolf im Spital und danach zu Hause im Rollstuhl unterwegs war. Er steht jetzt und heute – selbst in einem vermeintlichen Rückschlag – an einem ganz anderen Ort.

Das gemeinsame Wochenende konnten wir trotzdem sehr geniessen. Rolfs Haare haben seit letzter Woche einen grossen Sprung von einem wilden fleckigen Durcheinander zum Beginn einer geordneten Frisur gefunden; bei meinem letzten Besuch glich er tatsächlich noch ein wenig einem gerupften Huhn. Weil die Haare aber sehr dünn sind, hat er entschieden, sie nochmals ganz zu rasieren und ihnen einen geordneteren Start zu ermöglichen. Vielleicht saugt ihm die ganze Haarpracht die Energie aus allen Poren und das ist sowas wie eine Zwangspause des Körpers, dass der sich erstmal um den Pelz kümmern kann? Schliesslich steht der Winter vor der Tür – Pelz vor Gehstrecke.. Na dann: Haare Marsch!

aHSCT – ein kleiner Rundumschlag für andere Betroffene

Den heutigen Beitrag habe ich für MS Betroffene verfasst. Über kaum ein anderes Thema lese ich in MS-Internetforen so viele mit allerlei Themen vermischte Halbwahrheiten, weshalb ich einige Punkte aufgreifen möchte. ACHTUNG – diese Zeilen sind aus meiner bescheidenen Sicht der eigenen Recherchen entstanden – keine Garantie auf vollständige Richtigkeit. Das hier soll mehr als Kurzabriss und grober Richtungsweiser dienen / meine Gedanken dazu darstellen.

Als Rolf an MS erkrankte, recherchierten wir alle verfügbaren Methoden – so ungefähr von Weihrauch, über Lebenswandel, Vit. D Konsum, Medikamente, bis hin zur aHSCT, von der hier die Rede ist. Als ich das erste Mal von der aHSCT las, klickte ich recht rasch wieder weg; es machte mir Angst und alles war für uns noch so neu. Wir verfolgten das Geschehen aber nur wenige Monate später immer intensiver. Schliesslich standen wir nun an dem Punkt, dass es Rolf immer schlechter ging (PPMS). Für PPMS gibt es nur ein einziges offiziell zugelassenes Medikament – Ocrevus -, das bei ihm die Progression nicht ausreichend eindämmen konnte. Es ist traurig, wenn man dem Zerfall nur zuschauen kann und es stellen sich unweigerlich Fragen, wie es weitergehen wird. Hier in der Schweiz wird die aHSCT im Rahmen einer MS Registerstudie vorerst bis 2024 für ausgewählte Fälle kassenpflichtig durchgeführt. Unsere Krankenkasse hat entsprechend alle Kosten übernommen, was für uns eine enorme Erleichterung war, von der weltweit noch immer viele Patienten nur träumen können. Diese Entscheidung war ein langer Prozess und man sollte sie (wie jede Behandlungsentscheidung!) nicht leichtfertig fällen – aHSCT ist weder ein Spaziergang noch eine Wundertherapie, doch in manchen Fällen kann sie ein kleines persönliches Wunder darstellen, indem sie einen hochaktiven Verlauf stark eindämmen oder sogar für unbestimmte Zeit stoppen kann. Doch nochmals eines nach dem anderen:

  • Was ist das überhaupt? aHSCT ist die sogenannte autologous haematopoietic stem cell transplantation – eine Therapie, bei der KÖRPEREIGENE Stammzellen entnommen werden, das Immunsystem durch eine Chemotherapie zerstört wird und anschliessend mit den eigenen Stammzellen wieder aufgebaut wird. In der Regel dauert die Therapie im Spital zusammengenommen ungefähr einen Monat (Mobilisierungs- und Hochdosischemo) – das ganze Prozedere, wie wir es erlebt haben, ist hier im Blog ausführlich dargestellt – ich belasse es dabei mit diesen wenigen Worten: Die «Idee» ist es, ein Immunsystem aufzubauen, das sich nicht mehr selbst angreift. Manchmal ist von einem «Neustart» die Rede.
  • «Stammzellen» sind ein sehr vielfältiger Begriff. Stammzellen zeichnen sich dadurch aus, dass aus ihnen gewisse Zelllinien hervorgehen. Aus adulten Stammzellen kann nicht mehr jede Zelle des Körpers werden. Es handelt sich bei der aHSCT um Stammzellen des blutbildenden Systems, welche nach der Chemo jenes wieder aufbauen sollen. Der Erfolg der Therapie liegt in der Kombination aus Chemo UND Stammzellen – das eine ohne das andere hat nichts mit aHSCT zu tun. Stammzellen sind z.B. auch in der regenerativen Medizin ein riesiges Thema – davon ist hier aber nicht die Rede – die Stammzellen sollen hier das blutbildende System neu aufbauen, nachdem die Chemo es niedergestreckt hat – that’s it.
  • «Chemo habe ich schon hinter mir – hat nicht gewirkt»: Es gibt wahnsinnig viele verschiedene Chemotherapien mit unterschiedlichen Wirkungen, Nebenwirkungen und Einsatzgebieten. Fragt man bei betreffenden Personen nach, sind im weiteren Sinne oft sogenannte Zytostatika gemeint, welche Einfluss auf Zellteilung oder Zellwachstum nehmen; dazu gehören z.B auch Mitox oder Rituximab. Das mit einer aHSCT, die stationär und i.d.R. einmalig erfolgt gleichzustellen, kann zu keinem sinnvoll vergleichbaren Ergebnis führen.
  • Sterblichkeit: Oft list man von exorbitanten Todeszahlen. Ich kann hier nur mit den Zahlen der Schweiz argumentieren, die mit ungefähr 2% tituliert werden. Höhere Zahlen konnte ich vor allem in älteren Studien finden, bei denen noch andere Chemozusammensetzungen genutzt wurden. Hierbei möchte ich nochmals erwähnen, dass es sich um körpereigene Stammzellen handelt – in der Krebstherapie werden teilweise Spenderzellen verwendet, wodurch die Sterblichkeit anders ist – man spricht dann von «allogenen» Stammzelltransplantationen, nicht von autologen. Hinzu kommt, dass aus weltweit vergangenen Erfahrungen über die Jahre die Patientenselektion besser geworden ist, womit auch wiederum Risiken eingedämmt werden können. Es bleibt dabei: aHSCT ist eine ernste Angelegenheit.
  • Am erfolgreichsten scheint aHSCT bei jüngeren Menschen mit hochaktiver RRMS und nicht zu hohem Behinderungsgrad zu sein. Auch bei SPMS und PPMS gibt es Erfolge, wobei die Erfolgsrate geringer sei. Das potentielle Zeitfenster ist nicht gross und gar nicht so einfach zu erwischen. Das Argument «..sollte es mir einmal sehr sehr schlecht gehen, wäre das vielleicht eine Option..» ist deshalb schwierig.
  • Es KANN zu neurologischen Verbesserungen kommen, doch das primäre Therapieziel ist ein Krankheitsstopp – die Therapie sollte mit dem Ziel des Stopps in Angriff genommen werden; alles andere ist Bonus. Die Studienlage scheint darzustellen, dass Patienten mit entzündlicher Aktivität bessere Erfolgsaussichten haben.
  • aHSCT ist nicht neu – weltweit wird sie an vielen Orten wie Schweden, Italien, der Schweiz, USA, Russland, Mexiko etc. durchgeführt – in England, Schweden und der Schweiz als Kassenleistung in definierten Fällen (Liste nicht abschliessend).
  • «Die Therapie ist in Deutschland verboten» – ein Satz, den ich öfters lese. Sie ist nicht «verboten», sondern bei euch offenbar (noch?) nicht zugelassen – das ist ein Unterschied. In der Tat wurden z.B. in Heidelberg bereits Stammzelltransplantationen bei MS durchgeführt. Sofern meine Informationen stimmen, ist in Hamburg aktuell sogar eine Vergleichsstudie in Vorbereitung, welche ein gängiges Medikament mit der aHSCT vergleichen will.
  • Verschiedene Protokolle: Die Grundidee des «Immunsystem-Resets» ist bei der aHSCT bei verschiedenen Transplantationszentren ansich gleich – es werden teilweise aber unterschiedliche Behandlungsprotokolle verwendet – die Schweiz nutzt das sogenannte BEAM-rATG Schema, zu dem es bereits in der Vergangenheit nicht unerheblich viele Daten und Erfahrungen gibt. Russland und auch andere Therapiezentren haben teilweise auf ein weniger invasives, sogenanntes «non-myeloblatives» Protokoll umgestellt. Ich weiss nicht, wie lange die neueren Protokolle bereits eingesetzt werden und wie viele Daten es dazu bereits gibt – damit habe ich mich nicht auseinandergesetzt. Es soll hier aber der Hinweis nicht fehlen, dass es unterschiedliche Protokolle gibt und man sich gegebenen Falles entsprechend informieren sollte.

Zuletzt nun noch ein Thema, das mir besonders am Herzen liegt: Die Sache mit den Erfolgsquoten:

  • Ich tue mich da offen gestanden etwas schwer in der ganzen Sache rund um Erfolgsquoten. Ich weiss, dass z.B. Russland von hohen Erfolgsquoten von 70-90% spricht; vom russischen Transplantationszentrum halte ich ansich viel – die haben unglaublich viel Erfahrung, ABER: Ich frage mich bei den Zahlen schon hin und wieder, zu welchen Bedingungen und nach wie vielen Jahren sie erhoben wurden, denn einfach so «in den Raum gestellt» halte ich sie für – sagen wir – mässig aussagekräftig. Ich tue mich auch mit russischen Aussagen wie «100% MS frei» schwer, die in mehreren Medienberichten immer mal wieder auftauchen. Dass es eine «non responder» Quote gibt, zeigt, dass diese Aussage problematisch sein muss; gerade deshalb finde ich dies auch etwas schade, weil es dieser ernsten und wie ich finde auch wichtigen Therapiemöglichkeit zu unrecht einen etwas unseriösen Touch anhaften lässt.
  • Die Prognose hängt von sehr vielen Faktoren ab. Ich kann mir vorstellen, dass bei entsprechender Patientenselektion ziemlich hohe Zahlen herausspringen können. Im Prinzip muss man die jeweiligen Aussichten individuell betrachten – bitte wendet euch an einen aHSCT-erfahrenen Arzt und lasst euch auf eure persönliche Situation bezogen beraten – alle anderen Zahlenreitereien haben nur mässig Zweck!
  • Als Beispiel – Rolf (PPMS) hatte überraschenderweise direkt vor der Therapie eine aktive Läsion, was zuvor während mehrerer Jahre nicht der Fall war – dies hat den prognostischen Faktor offenbar deutlich erhöht. Das heisst aber nicht, dass man ohne aktive entzündliche Aktivität nicht profitieren kann. Doch ich denke, dass es wichtig ist, mit realistischer Haltung in die Behandlung einzusteigen und dafür bedarf es einer sauberen Bestandesaufnahme und Beratung, dass persönlicher Nutzen und Risiko abgewägt werden können. Für uns war die Situation so, dass die Krankheit so schnell voranschritt, dass wir es für riskanter hielten, es nicht zu versuchen.
  • In der Schweiz spricht man vorsichtig von der Aussicht, die Krankheit für ca. fünf bis sieben Jahre zum Stillstand zu bringen – eventuell auch länger. Die Datenlage ist teilweise auch schwierig – gerade in älteren Studien wurden teilweise die verschiedenen MS-Typen durchmischt, Patienten mit hohem Behinderungsgrad und langem Krankheitsverlauf inkludiert etc. – die Patientenselektion ist heute anders; es ist oft schwierig, Daten 1:1 zu übertragen. Ich war mit Menschen aus dem Ausland in Kontakt, die nach Behandlung im Ausland bereits über 10 Jahre progressionsfrei sind – doch man kann die Fälle immer nur bedingt miteinander vergleichen.

Neuropsychologische Fahreignungsabklärung

Im Rahmen der Reha hat Rolf eine ausführliche Fahreignungsabklärung durchlaufen, um abschliessend zu klären, ob er nach dieser eingreifenden Behandlung wieder fahrfähig ist. Dieses Thema ist uns ein wenig auf dem Magen gelegen, zumal das Autofahren einerseits viel mit Autonomie zu tun hat und er andererseits beruflich auf das Fahrzeug angewiesen ist. Gestern und heute war Rolf nun beim Gutachter. Der erste Termin war für ihn sehr anstrengend – rund 1.5h musste er relativ stressige psychologische Tests am Monitor bewältigen, die viel Konzentration und Reaktionsfähigkeit abverlangten. Glücklicherweise hat er alle Tests bestanden. Heute stand ihm noch der Fahrsimulator bevor – ein Smart, mit dem er verschiedene Aufgaben zu bestreiten hatte. Auch dies hat er gut gemeistert und darf nun offiziell wieder hinters Steuerrad sitzen – YES!

Das Programm ist auch heute wieder streng – in der Reha wird es ihm auf jeden Fall nicht langweilig! Wer sehen möchte, wie so ein Reha-Tag ungefähr aussieht: Here you go:

Ein wunderschönes Wochenende

Schöneres Wetter hätte ich mir für meinen Besuch am Wochenende nicht aussuchen können. Bis nach Horgen kämpfte ich mich durch dichten Nebel, während ich im Anschluss sofort zur Sonnenbrille greifen musste. Rolf und ich durften der Klinik mit dem OK des Personals für einige Stunden entfliehen. Wir machten einen kleinen Ausflug nach Bad Ragaz, spazierten dort ein wenig und gingen anschliessend essen – das hat uns beiden sehr gut getan. Dass ich nicht am gleichen Tag wieder nach Hause fahren musste, konnten wir in der Klinik ein Doppelzimmer buchen und so das wunderschöne Bergerwachen am Sonntag geniessen.

Physisch ging es Rolf am Wochenende nicht schlecht, aber auch nicht so gut, wie er sich unter der Woche fühlte; das hat ihn geärgert, wollte er mir doch stolz präsentieren, was er sich alles erarbeitet hat. Der Körper fordert noch sehr deutlich seinen Tribut – wir haben uns deshalb in erster Linie ausgeruht. Am Sonntag machten wir einen Spaziergang um die Klinik und besuchten die zwei Therapie-Pferde – zwei Seelen von Tieren! Mit vielen Bänkli-Stopps schafften wir schliesslich die ganze Runde. Draussen geht Rolf mit Stock – innerhalb der Klinik meidet er diesen konsequent. Den Rollstuhl hat er nicht mehr benutzt. Die Problematik mit den trockenen Augen ist besser geworden, aber die Haut im Gesicht ist so unglaublich trocken, dass er sich mehrmals täglich eincremen muss. Dafür spriessen die Haare wieder – den Bart hat er nun schon zwei Mal geschnitten; auf dem Kopf ist das mehr noch ein Flaum, aber die Haare sind deutlich gewachsen!

Das Trainingsprogramm fordert Rolf – das ist gut. Die Tage sind kurzweilig und oft anstrengend, doch er ist zufrieden. Der heutige Wochenstart war mit sechs Therapien sehr streng für ihn. Hier und dort findet man in der Klinik Glücks-Marienkäfer – da lächeln wir immer und wissen : Rico war unterwegs. 🙂